Psychische Aspekte

Welche psychischen Aspekte spielen bei Kindern mit Neurodermitis eine Rolle?

Sehr häufig treten die Hautveränderungen erstmals in Phasen besonders starker emotionaler Spannungen auf, zum Beispiel bei der Geburt eines neuen Geschwisterchens oder der Trennung der Eltern. Aber auch weniger dramatische Situationen wie Abstillen oder ein Umzug können unter bestimmten Umständen bei einem sensiblen Kind zur Auslösung des Ekzems führen. Das Hautbild eines Kindes mit Neurodermitis kann sich auch beim Beginn eines neuen Lebensabschnittes wie Kindergarten- oder Schuleintritt verschlechtern, je nachdem, wie diese Veränderungen vom Kind erlebt werden.

Neurodermitis selbst bringt weitere Belastungen mit sich. Ein Kind mit Neurodermitis macht die Erfahrung, daß sogar eine liebevolle Berührung der Haut Schmerzen verursachen kann. Möglicherweise wird es aus diesem Grunde eine zärtliche Umarmung und andere Liebkosungen ablehnen. Dies kann die Eltern zunehmend verunsichern und die Beziehung zum Kind ungünstig beeinflussen. Im Jugend- und Erwachsenenalter kann ein solches Kind Probleme haben, wenn sich ihm andere Menschen nähern wollen. Zum anderen vermag es sich aber nur schlecht von seinen Bezugspersonen zu trennen. Diese Nähe-Distanz-Problematik hat auch negative Auswirkungen auf eine Partnerschaft.

Oft kommen noch weitere negative Faktoren hinzu, wie ein überfürsorgliches oder ein sich häufig änderndes Erziehungsverhalten. Letzteres entsteht vor allem durch die mit der aufopfernden Pflege des Kindes verbundene Überlastung und Erschöpfung der Eltern. So kann es geschehen, daß sie zeitweise dem Kind gegenüber aggressiv reagieren, um sich ihm anschließend – aufgrund eines schlechten Gewissens – verstärkt zuzuwenden. Eine solche Erziehung bewirkt zusätzliche Spannungen beim Kind.

Generell scheint es den meisten Müttern, nicht nur denen, deren Kindern an Neurodermitis leiden, schwer zu fallen, ihre Kinder in die Unabhängigkeit zu entlassen. Eine enge Bindung, in der das Kind nicht selbständig werden kann, wirkt sich negativ auf den Hautzustand aus. Oftmals beteiligen sich zudem die meisten Väter nur wenig an der Erziehung und Pflege des Kindes. Für seine gesunde Entwicklung ist es aber notwendig, daß die Mutter-Kind-Beziehung gelockert beziehungsweise gelöst wird. Die Einbeziehung eines Dritten, in der Regel des Vaters, ist für die Loslösung dringend erforderlich. Vielleicht ist es trotz Berufstätigkeit möglich, daß der Partner zumindest einen Tag der Woche (zum Beispiel am Wochenende) eigenverantwortlich übernimmt und so das „Loslassen“ erleichtert.

Weiterhin zeigen Kinder, die an Neurodermitis leiden, oft wesentlich seltener als Kinder mit gesunder Haut Gefühle wie Traurigkeit, Schmerz, Eifersucht oder Frustration. Kinder, die sehr früh eine Neurodermitis entwickeln, können diese Gefühle oft nur durch die Beschäftigung mit der Haut äußern und haben weniger gelernt, ihre Gefühle anders auszudrücken. Vielfach richten sie solche negativen Empfindungen gegen sich selbst, sie werden zum Beispiel depressiv oder nehmen ihre Gefühle überhaupt nicht mehr wahr. Vermehrter Juckreiz und Kratzen können die Folge sein, was wiederum den Hautzustand ungünstig beeinflußt. Es ist daher wichtig, die Gefühle des Kindes ernst zu nehmen und ihm zu gestatten, negative Gefühle zeigen zu dürfen. Erwachsene neigen nicht selten dazu, Kindersorgen zu bagatellisieren oder gar lächerlich zu machen. Wenn ein Kind hingegen erlebt, daß seine Gedanken und Gefühle von Eltern und anderen Bezugspersonen akzeptiert werden, gewinnt es an Selbstsicherheit. Außerdem entsteht die Möglichkeit, im Gespräch mit dem Kind Lösungen für seine Probleme und Konflikte zu finden.